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Erfolgreich gegen Fracking

 

Polnische Aktivisten/innen setzen sich gegen Chevron durch

 

Sie kamen um vier Uhr morgens mit ihren Bulldozern, erinnert sich Landwirt Wiesław Gryn aus der südostpolnischen Gemeinde Żurawlów. Gemeint sind die Mitarbeiter des US-Konzern Chevron, die vor Ort mit Probebohrungen beginnen wollten, um dort die Möglichkeiten für ein eventuell späteres Fracking zu erkunden. Das hat sofort die Bewohner auf den Plan gerufen. Spontan blockierten sie mit ihren Traktoren die Zufahrtswege, damit es keinen Zugang mehr zu dem von Chevron gepachteten Gelände gab. Wie auch in anderen Regionen Polens bildete sich sofort eine Bürgerinitiative gegen Fracking, um dem Ansinnen des mächtigen, weltweit operierenden Unternehmens mit zivilem Ungehorsam entgegenzutreten. David gegen Goliath ist sicherlich die beste Beschreibung: Auf der einen Seite die 100 Einwohner zählende Ortschaft, auf der anderen ein milliardenschwerer Konzern. Gegründet wurde von ihnen die Bürgerinitiative occupy chevron. Der Name erinnert irgendwie an die amerikanische Occupy Bewegung, bei der es einst um den Protest gegen die undurchsichtigen Geschäfte der ebenso weltweit operierenden Finanzinstitute ging.

Beim Fracking, dem umweltschädlichen Bohren nach Gas in tiefen Schiefergesteinsschichten unter Einsatz von Unmengen an mit Chemikalien versetztem Wasser, wurden aus anderen Ländern bereits schwere Umweltschäden gemeldet, die von den Konzernen allerdings meist bestritten werden.

 

Enteignung per Gesetz

 

„Es geht um die Verteidigung der wunderschönen Landschaft, die nicht dazu da ist, dort Schiefergas zu fördern. Wertvoll ist das Gebiet auch für die Landwirtschaft mit seinen geschützten Trinkwasservorkommen“, erläutert Landwirt Wiesław Gryn, dessen Hof dort schon seit 1785 besteht. Er verweist darauf, dass in Polen kürzlich ein neues Gesetz beschlossen wurde, mit dem Boden für Fracking enteignet werden kann, wenn der Besitzer es nicht freiwillig verkauft. Mittlerweile seien 20 Prozent der Gesamtfläche Polens als Konzessionsgebiete für Fracking ausgewiesen. Wobei die Förderstätten weniger als einen Kilometer voneinander entfernt sind. Es handele sich hier um eine schmutzige Technologie. Hier soll gesundes Brot aus einer sauberen Landwirtschaft hergestellt werden. „Europa mit seiner hoch modernen Technologie kann Energie auch mit anderen Mitteln erzeugen“, schlägt Landwirt Gryn vor, der sich ernsthaft Sorgen um die mit Fracking verursachten Umweltschäden macht. Dies sei nicht nur ein polnisches Problem. Auch in anderen Ländern steht Fracking auf der Tagesordnung.

 

Weltweite Solidarität

 

„Wir hatten mächtige Gegner. Das waren nicht nur Chevron, sondern auch die Behörden und die Polizei, die alles taten, um unsere Aktionen zu behindern“, berichtet Berufsfotograf Andrzej Bąk, der die Aktivitäten fotografisch dokumentierte. Es war auch ein Erfolg, dass es volle Unterstützung im Dorf gab, berichten Einwohner. Żurawlów, unweit der ukrainischen Grenze gelegen, wurde zu einem weltweit bekannten Beispiel des Widerstands gegen Fracking. Da die Blockade zunächst nur eine spontane Aktion war, konnte anfangs niemand ahnen, welche Bedeutung ihr Kampf schließlich weit über die Landesgrenzen hinweg haben würde. Aus einem Zelt, mit Kameras ausgestattet, berichteten die Aktivist_innen regelmäßig vom Ort des Geschehens. Unterstützung bekamen sie auch aus den USA, Deutschland, Rumänien, Südafrika, Tschechien und Frankreich. Symbolisch wehten die Fahnen dieser Nationen über dem Zelt. Natürlich hatte der Kampf gegen die Umweltzerstörung das Leben im Dorf verändert. „Unser privates Leben haben wir beiseite geschoben“, berichten Aktivist_innen. Und es hat sich gelohnt: Nach 400 Tagen der Unsicherheit ist es gelungen, Chevron zur Aufgabe zu bewegen. „Dann sind sie abgezogen, als sei nichts gewesen, nun geht es mit Probebohrungen in der Umgebung weiter“.

 

Fotodokumentation erstellt

 

Diese eindrucksvollen, von Andrzej Bąk mit der Kamera festgehalten Aktivitäten, wurden nun der hiesigen Öffentlichkeit präsentiert. In Zusammenarbeit mit der Projektgruppe „Ziviler Ungehorsam in Osteuropa“ am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin sind die Fotografien in den Räumlichkeiten der Kultur-Kooperative für Deutsch-Polnische Initiativen in Berlin ausgestellt. Es sind ausdrucksvolle Dokumente des friedlichen, unermüdlichen Widerstands. „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“, sagte Andrzej Bąk zur Eröffnung der Ausstellung. „Auf den Fotos sind die Helden der Ausstellung zu sehen“, fügte er hinzu. „Wir machen den Menschen in Polen nicht vor, wie das mit der Energiewende funktioniert. Die Polen machen das selbst“, so Adrian Stadnicki von der Projektgruppe am Ostereuropa-Institut zur Ausstellungseröffnung, zu der unter anderem auch Vertreter hiesiger Umweltgruppen anwesend waren.

Das Interesse an dem Thema ist groß. Die Ausstellungseröffnung war gut besucht. So ist bereits an eine weitere Veranstaltung dazu gedacht. „Wir sind derzeit auf der Suche nach weiteren Institutionen, die an dieser Ausstellung interessiert sind“, sagt Adrian Stadnicki. Die Ausstellung wird noch drei bis vier Monate in Deutschland bleiben, bevor es weiter geht.

 

Fracking ohne Zukunft

 

Polen galt in Europa lange als das „Schiefergas -Eldorado“. Der Andrang ausländischer Energieunternehmen war so groß, dass sogar der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf den Plan gerufen wurde. Nach der ursprünglichen Regelung sollten nur in Polen registrierte Unternehmen eine Konzession beantragen dürfen. So fühlten sich Firmen aus anderen europäischen Staaten bei der Vergabe von Konzessionen diskriminiert, hatte die Europäische Kommission in ihrer Klage 2013 argumentiert. Polen habe damit gegen EU-Richtlinien verstoßen, die eine diskriminierungsfreie Vergabe vorsieht.

Es besteht durchaus Hoffnung, dass Fracking in Polen ein Auslaufmodell sein wird, bevor es überhaupt losgeht. So vermeldet das manager magazin ganz aktuell: „Die Fracking-Revolution in Polen fällt aus“. Nach ursprünglich euphorischen, realitätsfernen Schätzungen, was den Umfang der Gasvorräte in Polen anbetrifft, ist nun Ernüchterung bei den internationalen Energieunternehmen eingetreten. So hätten sich bereits sieben von elf Konzernen aus Polen zurückgezogen. Ziel der Förderung von Fracking ist die Hoffnung auf energiepolitische Unabhängigkeit von Russland. Was allerdings mit dem Ausbau erneuerbarer Energien umweltschonender erreichbar wäre. Frankreich und Bulgarien haben Fracking bereits verboten.

 

Volker Voss

 

 

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